In manchen Momenten stehen wir als Menschen mit besonderen Bedürfnissen vor Herausforderungen, die auf den ersten Blick schwer zu bewältigen scheinen. In den sieben Jahren, in denen ich in meiner Mobilität eingeschränkt bin, habe ich jedoch gelernt, immer wieder kreative Lösungen zu finden. Zu meiner großen Freude nutze ich ein E-Dreirad des niederländischen Herstellers Van Raam, das mir ermöglicht, mich frei und unabhängig durch die Gegend zu bewegen.
Mit der Bahn und meinem Dreirad bis in die Stadt
Ich lebe im nördlichsten Stadtteil von Bremen, der mit dem Zentrum durch eine S-Bahn verbunden ist. Die Fahrt dauert etwa 20 Minuten, und mit meinem „Easy Rider“, der gut zwei Meter lang ist, kann ich bequem und ohne Schwierigkeiten in das großzügige Fahrradabteil der Züge einsteigen. Auch im Bremer Hauptbahnhof passt mein Rad perfekt in den Aufzug, sodass ich mühelos von den Bahnsteigen in die Haupthalle gelange.
Ich schätze diese Mobilität sehr, denn sie ermöglicht mir, weiterhin aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Obwohl ich Rentner bin, engagiere ich mich in verschiedenen ehrenamtlichen Tätigkeiten in der Innenstadt und besuche gerne Theater, Lesungen, Kino oder Konzerte.
Ausfall der Zugverbindung führt zur Einschränkung meiner Mobilität
Vor einigen Wochen informierte die NordWestBahn, die unsere Strecke betreibt, dass meine Verbindung wegen Gleis- und Brückenarbeiten für sechs Wochen eingestellt wird. Auf den ersten Blick schien dies eine große Herausforderung zu sein, da mein E-Dreirad nicht die nötige Reichweite hat, um die Strecke hin und zurück zu bewältigen. Ein zusätzlicher Akku kommt für mich finanziell nicht infrage. Auch der eingerichtete Schienenersatzverkehr mit Bussen war keine Option, da diese nicht für E-Dreiräder ausgelegt sind.
In dieser Situation entschied ich mich, einen Leserbrief an die Lokalzeitung zu schreiben, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Zu meiner Überraschung rief die Redaktion mich an und schlug vor, das Thema in einem redaktionellen Artikel aufzugreifen, da viele Menschen ähnliche Herausforderungen erleben. Der Artikel erschien schließlich prominent auf der Titelseite der „NORDDEUTSCHEN“, mit einem Foto von mir und meinem „Easy Rider“ am Vegesacker Bahnhof.
Behindertentaxi als alternative Lösung
In dem Artikel wurde auch erwähnt, dass man die NordWestBahn anrufen kann, um einen persönlichen Transport mit einem Behindertentaxi zu organisieren. Nach einem Anruf bestätigte mir die Bahn, dass dies tatsächlich eine Option ist – der Fahrpreis entspricht dem einer Zugfahrt und ist durch den Schwerbehindertenausweis abgedeckt. Der Transport muss lediglich zwei bis drei Tage im Voraus angemeldet werden. Ich freue mich darauf, dieses Angebot bald auszuprobieren und meine Erfahrungen zu teilen.
Was ich aus dieser Situation mitnehme, ist: Es lohnt sich immer, den Mund aufzumachen, wenn man auf Hürden stößt. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass das Aufzeigen von Bedürfnissen und das Einfordern von Lösungen nicht nur für mich selbst, sondern für viele andere wichtig ist. Oftmals ist es nur Unaufmerksamkeit oder fehlendes Bewusstsein, das dazu führt, dass die Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen übersehen werden. Doch indem wir kontinuierlich darauf hinweisen, können wir dazu beitragen, positive Veränderungen anzustoßen und Lösungen zu finden.
Gemeinsam für eine barrierefreie Zukunft
Zum Schluss möchte ich zwei Dinge hervorheben: Erstens habe ich gelernt, dass es immer hilfreich ist, seine Stimme zu erheben, wenn man auf Herausforderungen stößt. Ganz gleich, ob es große oder kleine Hindernisse sind, es lohnt sich, offen über die eigenen Bedürfnisse zu sprechen. Dieser Prozess ist eng mit meiner zunehmenden Akzeptanz meiner physischen Einschränkungen verbunden und ich habe gemerkt, dass dadurch oft unerwartete Lösungen entstehen. Zweitens ist es oft überraschend zu sehen, dass viele Barrieren nur aus Unaufmerksamkeit resultieren. Es ist unsere Aufgabe, die Menschen um uns herum darauf hinzuweisen – und das funktioniert! Gemeinsam können wir positive Veränderungen anstoßen und so die Welt Stück für Stück barrierefreier machen.